Sonntag, 3. November 2013

DON - The German Gay Magazine 1981 (Hefte 6 bis 7)


DON 6/1981 erscheint im Juni 1981. Die Redaktion unter der Leitung von Gerd Talis (siehe auch gay journal) befindet sich in Heidelberg.


Drei der sieben 'Leserbriefe' sind Informationen/Verlautbarungen von Homosexuellen-Gruppen.

Aus der Reihe fällt ein 'Leserbrief' von Kurt-Joachim Foerster (der sich hier als Berliner bezeichnet). Der schwule (Porno)Versender (ab 1975) und Verleger (ab 1977) hat "Kataloge gewälzt", um den DON-Lesern einen Preisvergleich für (schwule) Reisen von Swing Tours Reisen, Mainz und Man Tours, Berlin, dezidiert vorzurechnen "den ich Ihnen nicht vorenthalten will".

Warum?



Das ist die Kurzgeschichte von him / him applaus, vom Mai 1970 bis zum April 1981, von dem Sex-Verleger Helmut Rosenberg, den Chef/Redakteuren Udo Erlenhardt, Dieter-Michael Specht, Hans-Peter Reichelt und Michael Hartleben. Geschrieben hat sie Johannes Werres und zwar unter einem seiner unzähligen Pseudonyme: Urs Kent. Schon das ist erstaunlich, denn der Autor (der nie je in him etwas veröffentlicht hat / veröffentlichen durfte?) schreibt diesen Beitrag informativ, sachlich und (ausnahmsweise mal) ohne Häme. Ebenso erstaunlich ist, dass der gegenwärtige DON-Macher Gerd Talis, der Hans-Peter Reichelt persönlich kannte, das Ende dieses ausgezeichneten und in seiner Bebilderung unvergleichlichen Schwulenmagazins nicht selber kommentiert.


Das Farbfoto - Hund mit Halberektion - ist eine typische Mike Arlen Aufnahme.


Meyers Grosses Universal Lexikon (die 15 Bände erschienen von 1981–86) "galt als ein Werk, das auf liberaler Grundlage und in erzieherioscher Absicht fortschrittliches Wissen und aufgeklärte Geisteshaltung förderte." Während der Artikel über Homosexualität "von wohltuender Abgewogenheit geprägt ist", sind Einträge über Perversion, Transvestismus, Masochismus und Sadismus noch alten Denkschemen (gesundes Volksempfinden) verhaftet.

Top-Versand-Anzeige: "V-Body, aufregender Body & Playdress, auch als Slip-Hemd-Kombination tragbar oder zu Jeans als Muskelhemd (siehe links). Superelastisch, lackschwarz, feuchtglänzender Wet-Look (83% Perlon und 17% Lycra, gechintzt), mit rotem Top-Man-Zeichen (Flockprägung) ..."

In der Anzeige modeln Laien. Die im Katalog 1981/82 posierenden Profi-Models durften nicht in schwulen Magazin-Anzeigen erscheinen.


"Das deutsche Nachrichten-Magazin beschäftigte sich in seiner Ausgabe Nr. 16 vom 13. April 1981 gleich zweimal mit 'unserem' Thema ... die Beiträge 'Verfall und Untergang' auf den Seiten 87-91 sowie 'Zug abgefahren' (246-251) ... Wir zitieren uns wesentlich erscheinende Abschnitte hier nochmals ... "

Dank Digitalisierung können beide Artikel online im SPIEGEL-Archiv nachgelesen werden.



DON 7/1981 erscheint im Juli 1981. Die Redaktion unter der Leitung von Gerd Talis (siehe auch gay journal) befindet sich in Heidelberg.


Am 13. April 1981 feierte die französische Homo-Zeitung Le Gai Pied zweijähriges Bestehen. Während eines aus diesem Anlass veranstalteten Gala-Abends im Pariser >Théatre Le Palace< sprang der Schriftsteller Yves Navarre auf die Bühne und verlas eine Botschaft des französischen Sozialistenchefs François Mitterand (vier Wochen vor Mitterands Wahl zum Staatspräsidenten):

"Ich möchte Ihnen hiermit zu dem Engagement und dem notwendigen Erfolg Ihrer Demonstration vom 4.4.1981 ebenso gratulieren wie zu Ihrem heutigen Festtag. Ich bin in Gedanken bei Ihnen. Der Kampf für Ihre Sache und Frohsinn gehören zusammen. Ich bitte Yves Navarre für mich zu bezeugen, dass ich mich Ihrer Suche nach einer neuen Form menschlichen Zusammenlebens mit Sympathie anschliesse. Hindernisse, die dem entgegenstehen, müssen gegebenenfalls durch gesetzgeberische Massnahmen beseitigt werden. Mit freundlichen Grüssen, Ihr Francois Mitterand."

Letzter Satz dieses Beitrages von Gerd Talis: " ... Es ist noch ein weiter Weg, bis der deutsche Bundespräsident den Homosexuellen Grussadressen schreibt. Wir müssen den Grund dafür auch bei uns selber suchen."


Die Auseinandersetzung um die Abtreibung polarisierte die Gesellschaft bis in die 1990er Jahre in zwei Lager (konservativ/bürgerlich/„rechts“ und „links“). 

Wenzel Böhmak (Pseudonym), der regelmässig ganz grossartige, informative und 'schwul-historisch' bedeutsame Beiträge in DON veröffentlichte, war in einigen Lebensbereichen einem radikal konservativen Denken verhaftet, was während meiner Redakteurszeit dazu führte, dass ich auch schon mal ein Manuskript von ihm ablehnte.

"Kein JA zur Abtreibung" ist nicht nur eine ziemlich bescheuerte, abstruse Vermischung zweier (und mehr!) Probleme - Abtreibung und Homosexualität - sondern obendrein in Diktion und Wortwahl unverantwortlich, unflätig und abstossend **, ganz abgesehen davon, dass die Auseinandersetzung über Abtreibung m. E. in einem schwulen Magazin nullkommanichts verloren hat.

** Beispiele
Abtreibung = Homo-Zukunfts-Killer ... Selbstausrottung der Deutschen
Alice Schwarzer = ... du bist keine Hexe. Du bist etwas viel Schlimmeres: Herrenmensch à la Goebbels, der dich um deine Perfektion beneiden müsste in seinem Grab
Atomrüstung - Müssen wir Deutschen sterben, damit die USA und China leben? Übertreiben wir nicht in punkto Atom-Kraft-Lager-Bereitschaft?

Schlussworte des Autors: " ... Ich bin dagegen, dass Europa [???] abgetrieben wird. Schluss mit jeder Art von Abtreibungen in Europa. Homosexuelle, lasst euch nicht mehr in die Mäuschenfallen der Prinzipienreiter locken! Und lasst die Frauen Frauen sein."


Links: ein Aufruf eines Aktionskomitees, verantwortlich Prof. Dr. Helmut Kentler, zur Streichung des § 175 StGB

Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Mai 1981 verzeichnete die F.D.P. massive Stimmeneinbrüche und kam mit 5,6% nur noch knapp über die 5%-Hürde. Der Beitrag von Tassilo analysiert Gründe: " ...Das Versprechen der F.D.P. vor dem 5. Oktober 1980 [Bundestagswahl] hat sicher manchen Wähler bestimmt, sein Kreuzchen für die Liberalen abzugeben. Kurz danach jedoch erfuhr man, dass das selbstverständliche Menschenrecht der Homosexuellen auf Gleichberechtigung nach einer schnoddrigen Bemerkung von Helmut Schmidt [die dieser bis heute leugnet!] unter den Tisch gefallen war ... Politiker, die sich so verhalten, dürfen sich nicht wundern, wenn sie nicht mehr geachtet werden ... "




Mike Gernsler über den 21jährigen Star-Pianist, den Kroaten Ivo Pogorelich: "... Wenn Ivo die Bühne betritt, erinnert er an einen Popper. Sein Selbstbewusstsein ist beeindruckend - ein aufregender Pianist. Sein verhalten zu seinen Zuhörern ist absolut 'cool'; doch wenn er in hautengen schwarzen Lederhosen - obenrum mit einer weissen Bluse drapiert - Chopin spielt, sind die Menschen aller Altersgruppen von ihm einfach hingerissen ... "

BENT in Berlin: " ... Relativ wenig Notiz nahmen die Medien ... von der Homosexuellen-Tragödie >Bent<, die ... nun in der Werkstatt des Schillertheaters auf die Bühne gebracht wurde. Das Stück von Martin Sherman behandelt das Thema der Schwulenverfolgung im Dritten Reich ... "