Mittwoch, 7. Dezember 2011

DON - The German Gay Magazine 1970 (Hefte 1 bis 6)


Die Kriminalisierung, Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung Homosexueller durch die Nazis, ab dem 1. September 1935 festgeschrieben in den §§ 175 und 175a StGB (Unzucht zwischen Männern), hat die Bundesrepublik Deutschland erst 24 Jahre nach Ende der Naziherrschaft (!) - ein klein wenig - revidiert.

Mit Inkrafttreten der Novellierung des § 175 StGB - am 1. September 1969 - waren zunächst  homosexuelle Kontakte „unter erwachsenen Männern“ nicht mehr verboten. Immerhin konnten demzufolge in der Bundesrepublik Deutschland erstmals wieder Publikationen für Homosexuelle erscheinen.

Am 1. Oktober 1969 erschien die erste Ausgabe von DU & ICH - wegen des Zeitpunkts auch Nachseptembermagazin genannt. Im April 1970 erschien die erste Ausgabe von him. Und als drittes Magazin erschien im Mai 1970 SUNNY, das noch im gleichen Jahr - ab der 4. Ausgabe - in DON umbenannt wurde.

Das ist die Geschichte von DON, aufgezeichnet von einem, der viele Jahre - direkt und indirekt - dabei war. Im Juli 1974 habe ich unter Pseudonym eine erste Geschichte in DON veröffentlicht. Und im Dezember 1983 letztmals eine Ausgabe komplett konzipiert, gestaltet und zum grossen Teil geschrieben. Bis zum April-Heft 1984 habe ich noch etwas mitgearbeitet.

Hier folgen 15 Jahre DON, die die jeweilige Zeit, die Inhalte und Themen sowie die Entwicklung des Magazins anhand von Seiten-Beispielen und Fakten erläutern, illustrieren und (kritisch) kommentieren. Als Informations-Ergänzung werden zu Namen und Publikationen, Anlässen und verwandten Themen Links veröffentlicht.



SUNNY Nr. 1 erscheint im Mai 1970 im Verlag Klassmann & Co. OHG, Bornheim-Merten. Verantwortlich für den Inhalt zeichnet Gerhard R. August, über den ich nichts weiss und bislang auch nichts herausfinden konnte. Das Heft hat einen Umfang von 32 Seiten, davon 16 Seiten 4farbig.

Das Magazin erhält kaum Text, dafür zahlreiche grafisch grosszügig komponierte Seiten, einen einzigen, kleinen, sehr dezenten Ganzakt und eine Vielzahl von Jünglingsfotos in Badehosen- und Unterhosen, allesamt von TOM men’s shop, Zürich, (der Link führt zu Details über Thomas Wetzel in DON 4/1978).


Auf die 24 Jahre der Kriminalisierung von Homosexuellen in der Bundesrepublik Deutschland und damit auf die einschneidende Änderung des Strafgesetzparagraphen 175 im September 1969 - die das Erscheinen u.a. von SUNNY erst möglich machte - gehen weder diese, noch die folgenden Ausgaben in irgend Form ein. Ein explizit homosexuelle Leser ansprechendes Thema gibt es in der ersten Nummer nicht. Der „Report über den Strich - Endstation Knast“ hätte im Jahr 1970 genausogut (und besser) im heterosexuellen „Stern“, in „Twen“ oder „Konkret“ stehen können. Die Doppelseite „Schwarzer Eros“ enthält ein paar dürre Bildbegleitungsworte im Sinne von „Homophile kennen keine Rassenprobleme“.


Die erste SUNNY-Ausgabe ist eine mit viel Liebe gestaltete, recht bunte, aber ziemlich inhaltlose Publikation, was - möglicherweise - in der jahrzehntelangen Kriminalisierung, Verfolgung und  verinnerlichten Angst der homosexuellen Macher begründet ist (?)


Ab Nummer 2/1970 nennt sich das nunmehr 48seitige Magazin, davon 16 Seiten in Farbe, SONNY, während im Innenteil weiter von SUNNY die Rede ist. Es erscheint in der Sonny-Verlag GmbH, Bornheim-Merten. Chefredakteur ist Michael Heiberg. Von Michael Heiberg ist (aus nachfolgenden Heften) nur bekannt, dass er mit Charles Mauveaux ein Buch „Geschichte der erotischen Kunst“ verfasst haben soll. Diese Autoren und diesen Titel sucht man selbst in Antiquariats-Webseiten leider vergeblich.


Reproduktion und Druck dieser, wie sämtlicher Ausgaben der Jahre 1970 und 1971, sind ausgezeichnet. Das Heft bleibt extrem textarm, behauptet zwar „SUNNY bringt erstmals mit dieser Ausgabe besonders viele Sexfotos“, zeigt jedoch zumeist dezente Ganzakte, während die Unterhosen- und Badehosenmodellbilder (TOM men’s shop, Zürich) dominieren.


Es gibt eine Musik-Seite „Platten“, einen ersten, noch sehr zurückhaltenden Bericht über schwule Kneipen und Bars in Frankfurt/Main, Gedichte und künstlerische Zeichnungen, einen dreiseitigen Bericht (Fotos dominieren) über den Fellini-Film „Satyricon“, in dem bekanntlich viel nacktes Fleisch gezeigt wird (nicht so in SONNY) ...


... und einen Wettbewerb „Diesen Ford Capri können Sie gewinnen, wenn Sie an der Wahl des >sunny-boy< teilnehmen“  und beteiligt sich (8 Monate nach der Tat) an der Fahnung nach dem Mörder eines Homosexuellen.





SONNY 3/1970 erscheint im nunmehr bereits dritten Verlag: Ilion-Verlag GmbH & Co KG, Köln, Chefredakteur bleibt Michael Heiberg.


Erstmals beschäftigt sich das Magazin mit Themen, die die Leser (hier Homophile und Homoeroten) aktuell beschäftigen: „Homophile Partnerschaft? Eine empirische Untersuchung“  sowie zeittypischen Gedanken des Chefredakteurs zum Thema ‘Homophile Partnerschaft’ („Deutschlands Homophile treten aus dem Dunkeln heraus“)


Es enthält ein bebildertes Portrait des russischen Tänzers Rudolf Nurejew sowie einige Aktualitäten - Prominenter Gast im TOM men’s shop, Zürich, ist Horst Buchholz - ein homophiles Lichtspieltheater in London - ein neuer Club in Essen...


In dieser Ausgabe beginnen die für DON über viele Jahre hinweg so typischen, trivialen und zumeist kitschigen Homo-Geschichten: „Hier lernte ich Pit kennen, jenen lieben kleinen Boy mit der samtenen, sonnengebräunten Haut, den meertiefen Augen zwischen Sünde verheissenden Wimpern, deren einziger Aufschlag eine Welt erschüttern könnte. Pit ... lebendes Standbild der Schönheit...“



Im Oktober 1970 erscheint die vierte Ausgabe, nunmehr umbenannt in  DON, Untertitel „Magazin für Freunde, gentlemanlike“, weiter in der Ilion-Verlag GmbH, Köln. Chefredakteur bleibt Michael Heiberg.


Es scheint finanzielle Probleme zu geben, denn 4farbig sind nur noch die Umschlagseiten, der Rest ist einfarbig schwarz mit grüner Schmuckfarbe. Die Misch-Masch-(Berichte) aus aller Welt werden ausführlicher, hier u.a. eine Nachricht über ...

"Udo Erlenhardt, Chefredakteur von 'him', hat sich einen neuen Gag einfallen lassen: Schlagerstar Sonny Costa besingt die erste im him-Verlag erscheinende Schlagerplatte. Auf der B-Seite wird 'Er' besungen - er, das ist ein lieblicher Knabe, dessen traumhafte Schönheit das Blut zum Kochen bringen soll ... "


Die folgenden Ausführungen über Udo Erlenhardt sind NICHT Inhalt dieser DON-Ausgabe, sondern eine zeitgeschichtlich informative Ergänzung für den Blog-Leser:


Udo Erlenhardt (1944-2011) gilt als die schillernste Figur unter allen sog. Chefredakteuren deutscher Schwulenmagazine.

Erst Textileinzelhandelslehrling, dann Novize (Ordensname Frater Andreas) wurde der Knabenliebhaber aus dem katholischen Verein herausgeworfen und erster Chefredakteur von DU&ICH, was sogar dem SPIEGEL eine Homo-Story wert war: Der Spiegel 50/1969: Schöne Aufgabe.

Erlenhardt war dann kurz 'Chefredakteur' bei him, kam aber erst als Gastwirt 1984 wieder "richtig gross raus", nämlich als einer der fragwürdigen Zeugen in der Affäre um den Bundeswehr-General Kießling und Alexander Ziegler: Der Spiegel 5/1981: Wörner - Der Lächerlichkeit preisgegeben.

Seite dritte "Karriere" machte er als selbsternannter Pater (falscher Priester), „geistlicher“ Spendensammler und Betreiber eines aus mehreren Häusern bestehenden Heimes für Straßenkinder in Rumänen: Süddeutsche Zeitung vom 11. Mai 2010: Das zweite Leben des Geheimdienst-Informanten.

Siehe auch Balkanblog: Don Demidoff, alias Udo Erlenhard und wie man prominent im Balkan wird

Siehe auch den Blog Don Demidoff, der von 2006 bis zu Erlenhardts Tod 2011 von Udo Erlenhardt Enthüllern mit Aufdeckungen und Erkenntnissen über ihn gefüllt wird.

Ein weiterer Artikel auf der EINSICHT-Webseite: Totgesagte leben länger - Demidoff ante portas


In dieser Ausgabe beginnt - über mehrere Folgeausgaben - der teilweise Nachdruck des bei SONNY 2/70 bereits erwähnten Buches „Geschichte der erotischen Kunst“, wobei sich die Auswahl keineswegs auf das Thema Männer und Homosexualität beschränkt.


 Die Doppelseite „Black Power“ ist typisch für die Darstellung „erotischer“ Männerfotos in den ersten Ausgaben: Collage, nackter Po, Badehosen. Bilder wie in „Zauberlehrling“ (unten) wurden mit einem bildgemässen, frei erfundenen Text garniert.


DON 5/70  erscheint im November 1970, weiter in der Ilion-Verlag GmbH, Köln, jetzt ist Gerhard R. August wieder Chefredakteur (siehe SUNNY Nr. 1/1970)


Die Themenpalette wird erstmals vielfältiger und mehr auf  homosexuelle Interessen ausgerichtet. Künstlerische Zeichnungen u.ä. in diesen und weiteren frühen Ausgaben haben (noch) einen qualitativen Anspruch.


Erstmals (und in folgenden Ausgaben) wird redaktionell eine Reise für Schwule angeboten „DON International,  Mittelmeerkreuzfahrt für Freunde“.


Ein (schwules) Kuriosum dürfte diese Whisky-Reklame-Doppelseite sein.


Ebenfalls erstmals in DON wird über eine Homosexuellen-Demonstration in Hollywood berichtet ... immerhin hatte bereits eineinhalb Jahre zuvor - am 28. Juni 1969 - in der New Yorker Bar Stonewall Inn, in der Christopher Street, der Stonewall-Aufstand, ein eminent wichtiges Ereignis für die Schwulenbewegung, stattgefunden.


Weitere Themen sind Kunst, Kultur, (erneut) „Homophile Partnerschaft“ und in Ansätzen Literatur (Verlaine + Rimbeau).


Die letzten Seiten zeigen Thomas Fritsch (* 1944, sog. "Willy-Fritsch-Sohn") bei der Anprobe im bekannt schwulen TOM men’s shop, Zürich, (der Link führt zu Details über Thomas Wetzel in DON 4/1978).

Fritsch, dessen Eskapaden auf der (einst) schwulen Lustinsel Mykonos legendär sind, erklärte in einer Talkshow (30.11.2004 bei Johannes B. Kerner?), angesprochen auf das Thema Homosexualität: „Absoluter Schwachsinn! Wäre ich schwul, würde ich dazu stehen. Es wäre mir viel zu mühsam, mich ein Leben lang vor anderen verstecken zu müssen.“

Eine recht amsüsante Aussage für mich, der ich den seinerzeit vielbegehrten Jüngling noch im Berliner KC (= Kleist Casino, Europas älteste Homo-Bar, 2002 geschlossen) höchstpersönlich erleben durfte. Folgerichtig verschweigt sein Wikipedia-Eintrag auch alles Private.


DON 6/70 erscheint im Dezember 1970, Ilion-Verlag GmbH, Köln, Chefredakteur Gerhard R. August


Das „Weihnachtsheft“ präsentiert „Geschenke für zwei die sich lieben“ und „Für festlich intime Stunden“...


... erstmals einen schwulen Comicstreifen „Donnie und Mike“, berichtet über „Probleme in der Pubertät“ und - passend dazu ...


 ... über den Film „Heimliche Freundschaften“ (französischer Spielfilm aus dem Jahre 1964, der erst im Juni 1970 in deutsche Kinos kam und auf dem gleichnamigen Roman von Roger Peyrefitte basiert).


Die letztseitige Aufnahme “Prosit 1971“ - mit Überraschungskiste - dürfte eines der ersten, speziell gefertigten, schwul-typischen Fotos in DON sein.
  

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