Dienstag, 1. Januar 2013

DON - The German Gay Magazine 1977 (Heft 12)


DON 12/77 erscheint im Dezember 1977. Verleger ist Henry Ferling, Darmstadt, siehe DON 1/1973. Redaktion: Jens M. A. Reimer, R.v. Lindenau (= Henry Ferling), Tommy Brauner (= Jens M. A. Reimer), Bildredaktion: Guy Gilbert (= Günter Goebel) und Hans John (= Hans Möstl), Details bei DON 9/1976


Ende 1977 beginnt hier eine länger andauernde, heftige und zugleich anregende Auseinandersetzung zwischen einigen der kleinen (zumeist studentischen, sehr linken) Schwulengruppen und der bis dato sehr bürgerlichen Homo-Publikation DON, die mittlerweile neugierig auf die radikal-politische Schwulenbewegung schielt, zugleich aber überwiegend von ‚ungeouteten‘ Homosexuellen in aller Heimlichkeit gekauft und gelesen wird (wichtigster Umschlagplatz für DON-Ausgaben ist der Bahnhofsbuchhandel, wo der Käufer anonym bleibt): 

„ … DON hat sich als erste Homo-Zeitschrift mit den Aktivitäten und Äußerungen einiger solcher [Schwulengruppen] kritisch auseinandergesetzt. Auf diese Art und Weise haben wir sie erstmals zu einer Reaktion bewegen können. Der Leserbrief des Herrn Stoffel auf Seite 4 macht einmal mehr deutlich, wie schwer manche Leute Kritik vertragen können. Mal abgesehen davon – wie sollte es anders sein – dass man uns der ‚Ausnutzung der Schwulenunterdrückung‘ bezichtigt, und einmal abgesehen davon, dass Herr Stoffel DON-Äußerungen in seinem Sinne verändert, enthalten wir uns jeden weiteren Kommentars. Der Leser mag sich sein IHB-Bild selber machen … In DON werden wir uns auch zukünftig mit der gewaltigen Kluft zwischen den meisten ‚progressiven‘ Gruppen und den – wie der Arbeitskreis sie nennt – Durchschnittshomosexuellen auseinandersetzen. Und wir werden uns auch weiterhin für die Homophilen engagieren – auf unsere Art, das muss man uns schon erlauben. Denn es ist unsere Haut, die da zu Markte getragen wird! Wir haben keine politisch-ideologische oder sonst irgendeine andere Färbung … „ 

Vorwürfe von Ahnungslosen, mit denen ein Schwulenmagazin wie DON, sein Verleger und die Macher permanent persönlich angeprangert, verhöhnt und verleumdet wurden, in der aberwitzigen Vorstellung und Unterstellung, dass mit diesem Blatt (enorme) Gewinne (unredlich) erwirtschaftet wurden:

 „Ausnutzung der Schwulenunterdrückung“ = die gesellschaftliche Diskriminierung und Unterdrückung einer Gruppe Menschen für eigene, pekuniäre Interessen ausnutzend, hier zumeist verbunden mit Begriffen wie [teures, überteuertes] „Hochglanzmagazin“, die spezielle sexuelle Orientierung von Menschen ausbeutend, Wixvorlagen …



... Als ‚diskriminierte, diffamierte und verfolgte Minderheit‘ schieben sie zur Entschuldigung für ihre Sexualität Prominente vor, die ‚auch so sind‘. Zugegeben, unter Heterosexuellen löst das immer wieder ein schockiertes Staunen aus: Was? Der Michelangelo soll auch ‚so‘ gewesen sein? Und Freddy Quinn? Und Alexander der Große? Und Pasolini? … Homosexuelle berauschen sich an den ungläubigen Gesichtern der Normalen. Eine Art Triumphgefühl überkommt sie, denn sie sind aus der Verteidigung in die Offensive gegangen. Der Heterosexuelle ist sprachlos. Und der Homosexuelle, der sich sonst immer benachteiligt fühlt, kostet das Gefühl, selbst fast ein Prominenter zu sein, voll aus … Diese allseits beliebte prominente Rechtfertigung zeigt, wie wenig Selbstsicherheit und Selbstvertrauen viele Homosexuelle besitzen. Und wie wenig manche Homo-Publikation … davon besitzen: Erst kürzlich führte das GAY JOURNAL in einer Serie ‚Große Homosexuelle von gestern und heute‘ … eine Homo-Prominenten-Liste vor. Frei nach dem Motto: Was sind wir doch für dolle Kerle …“


Zur Erinnerung erneut der Hinweis: Alle in homosexuellen Publikationen erscheinenden Meldungen und Nachrichten (auch die von sogenannten ‚schwulen Pressediensten‘) wurden zu (geschätzten!) 90% aus heterosexuellen Medien (auch ausländischen) und zu (geschätzten!) 10% aus schwulen Zeitungen/Zeitschriften (hier oft aus ausländischen) abgeschrieben. Der Einkauf bspw. von Agentur-Meldungen oder ein – wie auch immer geartetes - eigenes Informationsnetz waren bei der finanziellen Lage schwuler Blätter undenkbar.

Marcello Mastroianni, italienischer Filmstar, spielt in ‚The Chase‘ (die Jagd) erstmals (und das einzige Mal) eine schwule Rolle.

Marc Bolan, englischer Popstar, Alkohol- und Orgien-süchtig – er trieb es nach eigenen Aussagen rudelweis mit Weibchen und Männchen – ist jetzt mit Gloria Jones verheiratet, hat einen Sohn und Produzent einer Kindersendung.

Rechte Seite: Ab jetzt schreibt Wenzel Böhmak (Pseudonym) regelmäßig lesenswert intelligente Beiträge für DON. Und erstmals inseriert das konkurrierende Homomagazin DU & ICH in DON (wahrscheinlich kam es zu einem Anzeigentausch auf Gegenseitigkeit).


Natürlich waren das meist keine Model-Schönheiten, die sich da den Lesern mehr oder weniger nackig präsentierten, aber sie waren alle ‚echt‘ und ich war ziemlich stolz darauf, dass sich immer häufiger Homosexuelle zutrauten, sich in unserer schwulen Zeitschrift (öffentlich) vorzustellen.



Ausgelöst durch unseren fernöstlichen DON-Leser Haruo (linke Seite, rechte Spalte), einem Deutsch sprechenden Japaner, der mit unserer Redaktion Kontakt aufgenommen hatte und uns ein typisches japanisches Fruchtbarkeitssymbol geschickt hatte (rechte Seite, linke Spalte), entstand dieser Artikel über Sexualität und Schwule in Japan … über die strikten Moralgesetze, die die US-Besatzer nach dem 2. Weltkrieg importiert hatten … und japanische Love-Hotels, in denen auch Schwule willkommen waren … den einheimischen Religionskult, der die Geschlechtsorgane zum Gegenstand der Anbetung und Verehrung macht … die im ganzen Land stattfindenden Penis-Festivals … die sexuellen Vorlieben der Japaner für Bondage (Kunst des Fesselns) und (inszenierte) Gewalt (S&M)


„ … Als Angehörige einer Minderheit wissen wir das Verständnis und Engagement anderer besonders zu schätzen. Manche von uns haben am eigenen Leib erfahren, wie das ist, wenn man sich in einer verzweifelten Notlage befindet. Natürlich ist unsere Notlage eine ganz andere, als die der notleidenden Menschen in der Dritten Welt … Und vielleicht sollten gerade wir deshalb … nicht nur an die viele Not in der Welt denken, sondern eine ganze kleine Wenigkeit dazu beitragen, dass irgendeinem Menschen im fernen Asien aus seiner Not geholfen wird …“


Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine zweite Patenschaft – ein elternloses Mädchen in Nord-Indien, das ich von Schulanfang bis Ende der Ausbildung als Krankenschwester begleitet habe – und hoffte mit dieser Werbung für die „Kindernothilfe e.V.“, Duisburg, den einen oder anderen Leser zur Nachahmung zu 'verführen'.


Hier noch einmal mein allererstes Fotomodell Gerhard (vgl. DON 6/1977, letzte Abbildung) mit Katze Minna.




„Stimmen Sie diesem Satz zu?: ‚Ich darf behaupten, dass ich selten, äußerst selten, einen Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung getroffen habe, der wirklich und über längere Zeit glücklich gewesen ist.‘ Dieser Satz stammt von Alexander Ziegler (‚Labyrinth‘, 1970), und Sie sollen nicht nur Ja oder Nein sagen, sondern sich mit den Hintergründen beschäftigen … Man trifft sie überall, die Verzweifelten, die Einsamen, die Ablehnenden, die sich resigniert zurückziehen, Einzelgänger und Sonderlinge werden. Natürlich trifft man auch die Lebenslustigen, die Aufgeschlossenen und Fröhlichen. Aber kratzt man nur etwas von der Fröhlichkeit und Lebenslust an der Oberfläche weg, findet man darunter allzu oft die gleiche verzweifelte Einsamkeit. Es gibt sie übrigens zuhauf – die homosexuellen Schauspieler, die ihrer Umwelt geradezu verzweifelt einen lebenslustigen, fröhlichen Menschen vorspielen … Unter allen Leserbriefen, die bei der DON-Redaktion eingehen, ist gut über die Hälfte aus Verzweiflung geschrieben. Nicht aus Verzweiflung über unsere ach so böse Umwelt, nicht aus Verzweiflung über Diskriminierung, nicht aus Verzweiflung über die Veranlagung, sondern einzig und allein aus Verzweiflung über die Einsamkeit …“ 

Nacherzählt: Eine verwirrend wirre homo- und heterosexuelle Beziehunggeschichte unter 4 Schülern in Berlin des Jahres 1927, die mit einem Mord und einem Selbstmord tragisch endete. 


Schülertragödie in Steglitz