Donnerstag, 16. Februar 2012

DON - The German Gay Magazine 1972 (Heft 1 bis 4)


DON 1/72 erscheint im Januar 1972.

Im Vergleich mit allen bisher erschienenen Titelseiten unterscheidet sich diese - antiquierter Schriftzug, ausgeschnippeltes Titelfoto und amateurhaftes Layout - geradezu schauderhaft.

[Erinnert sei daran, dass die Jugendzeitschrift twen - mit dem 'revolutionären' Layout von Willy Fleckhaus - die die Optik deutschsprachiger Illustrierten/Magazine/Zeitschriften nachhaltig positiv beeinflusste - von 1959 bis 1971 auf dem Markt war.]

Übernommen hat das Objekt die Pressag AG, Vaduz, Lichtenstein. Der Inhaber dieser Firma und neue DON-Herausgeber wird mit den 12 DON-Ausgaben des Jahres 1972 fünfmal den Verlag - Firmennamen und Firmensitz - wechseln.

Verantwortlich für den Inhalt sind Karel von Swoll und Hans Milus. Die Redaktionsleitung haben Guy Gilbert und John Mytery, Frankfurt/Main. Hinter diesen vier exotisch klingenden Namen sind samt und sonders frei erfunden (Pseudonyme), und dahinter verbirgt sich eine einzige Person (nämlich der Inhaber der Pressag AG, ursprünglich eine Münchner Werbeagentur, Günter Goebel).


Während in der Ausgabe DON 3-4/1971 noch 4 prall gefüllte Seiten mit kostenlosen Kontaktanzeigen (gesetzt im kleinen Schriftgrad) erschienen sind, muss das Magazin jetzt aufs Neue um Kontaktinserenten werben. Bei den Fotos handelt es sich um reine 'Füllbilder', oben links eines von Sven Swede.


Erstmals erscheinen in DON auch 'richtige' Frontalakte. Schwerpunkt des Artikels ist (natürlich) die Penisgrösse von Farbigen.


Beginnend in den 60er Jahren veröffentlicht der Holländer Wim Kock unter dem Namen Dorus (Doppelseiten oben und unten) in zahlreichen schwulen Magazinen stark realistische erotische Zeichnungen junger Männer, die sich durch muskulöse Körper und deutlich angeschwollene Schwänze auszeichnen; zumeist typische Homo-Szenen, in die sich der Betrachter hineinfantasieren kann. Im Internet habe ich bislang nichts über Wim Kock alias Dorus gefunden. (Wer weiss etwas?)


Typisch für die Zeit: Beatlesfrisuren, hauteng anliegende Jeans, die so hüfttief geschnitten sind, dass der Poritzenansatz sichtbar ist, extrabreite Gürtel, freiliegender Bauch, auch Dank zu knapp geschnittener Shirts und sexy Minislips.


Unscharfe, falsch belichtete Amateurfotos, wie diese (aufgenommen von Herausgeber Günter Goebel in einer seiner Wohnungen), schlecht reproduziert und deshalb miserabel im Druck, sind im Jahrgang 1972 die Regel. Nach dem Motto: möglichst billig. Siehe folgende Titelseite, die farblich im Originaldruck schlimmer aussieht.
 

DON 2/72 erscheint im Februar 1972. Herausgeber ist jetzt der Apollon Verlag, Vlissingen, Holland.
Die Redaktionsleitung behalten Guy Gilbert und John Mytery, Frankfurt/Main (wie gesagt, beide Namen sind Pseudonyme). Redaktionsanschrift: DON-Redaktion, c/o Bifipress AG, 6000 Frankfurt/Main 70, Postfach 700 229.

Guy Gilbert ist Günter Goebel (†), Kürzel GG, bisexuell, Journalist, Redakteur, Fotoagent, Hans-Dampf-in-allen-Gassen, Inhaber diverser, oft wechselnder Mini-Firmen, u.a. der Werbeagentur Pressag AG u.a. in München (siehe 1. Eintrag bei DON 1/72), der Bifipress AG in Frankfurt/Main (siehe Redaktionsanschrift) usw. Ausführliches im Goebel-Link.

Hinter dem Pseudonym John Mytery könnte es sich - Dank gleicher Frisuren - um einen von Goebels jugendlichen 'Begleitern' handeln. Oder um Hans John (in DON 12/1975 und 8/1976) = Hans Möstl bzw. Johann Möstl, Fotograf, 1972 = 23 Jahre alt. In DON wird er als 'Bildredakteur' bzw. 'Chef der Bilder' vorgestellt. Welche Rolle er bei dem Homo-Magazin tatsächlich spielte ist unbekannt. Möstl gründete 1986 in Frankfurt/Main den heterosexuellen Porno-Verlag Oftly. Seine Pornoproduktion / Pornoversand Oftly Goldwin GmbH sitzt heute in Österreich.


Knut schreibt: "Immer mehr schätzt der Homophile sexy Unterwäsche..." Die Slips stammen z.T. aus dem Züricher TOM men's shop, mit dem DON (hier der Herausgeber Günter Goebel) ab der April-Ausgabe eine lange PR-Zusammenarbeit startet. Dazu später mehr.


Der Artikel links - über den 'Homoparagraphen' 213 des norwegischen Gesetzbuches - stammt aus dem seinerzeit hervorragenden schwedischen Schwulenmagazin Revolt, mit dem DON ab der Mai-Ausgabe eine Zusammenarbeit - sogar "Vereinigung" - starten möchte. Rechts eine Leseprobe aus dem schwulen Sience-Fiction-Roman "Freunde auf Alpha Centauri".


Während in den 70er Jahren in diversen US-Magazinen bereits attraktive, sexy und sehr erotische männliche Nacktmodelle präsentiert werden, ist es in Deutschland (West) noch bis Ende der 80er Jahre verdammt schwer, überhaupt Jungen und Männer als Aktmodelle für ein schwules Magazin zu gewinnen. Nicht nur dass massive Hemmungen und Ängste bestehen, in einer schwulen Zeitschrift veröffentlicht zu werden, werden angesichts kleiner Druckauflagen nur lächerlich kleine Modell-Honorare bezahlt, die keinen Anreiz sind, die Hosen herunter zu lassen.

Hinzu kommt ein Qualitätsproblem: Da die meisten Profi-Labore die Filmentwicklung und Abzüge männlicher Aktfotos ablehnen (so wie auch Druckereien 'Schweinkram' à la DON nicht drucken wollen), wurden diese Arbeitsschritte meist von Amateuren und Autodidakten ausgeführt.

Professionelle deutsche Fotografen, die sich schwerpunktmässig dem Männerakt verschrieben hatten, waren zu jener Zeit eine Rarität. Deshalb stammen die meisten in DON veröffentlichten Aktaufnahmen von Amateuren oder fotografischen Autodidaken.

Das Schwulenmagazin him hingegen, dem im St. Pauli Verlag Helmut Rosenberg bis 1979 ein bedeutender Foto-Etat zur Verfügung stand, bot zu dieser Zeit bereits reizvoll attraktive Fotostrecken, die allerdings überwiegend im Ausland eingekauft wurden.


Der Beitrag rechts ist ein Nachdruck aus dem Buch "Intime Küsse" aus dem Stephenson-Verlag, Flensburg (Uhse!), entnommen.

Mit Nachdrucken, sog. Zusammenarbeit, PR-Geschichten und Billig-Fotos sucht Herausgeber Günter Goebel - bis Heft 12/1972 (bis Heft 1/1974 ist er noch Redaktionsleiter) die Initial- und Redaktionskosten des Objektes auf dem niedrigstmöglichen Niveau zu halten.


DON 3/72 erscheint im März 1972 im Apollon Verlag, Vlissingen, Holland, Postbus 122. Redaktionsleitung: Guy Gilbert und John Mytery, Frankfurt/Main. Redaktionsanschrift: DON-Redaktion, c/o Bifipress AG, 6000 Frankfurt 70, Postfach 700 229


"Liebe DONS! ... wir sind fast beschämt, so viel Anerkennung und Lob von Euch zu erhalten ... Unsere ersten beiden 1972er Ausgaben sind ausverkauft, wir haben jetzt bei 3 die Auflage beträchtlich erhöht und können uns als eine der auflagengrössten Zeitschriften unserer Art im deutschen Sprachgebiet bezeichnen ..."

Hier beginnt DON mit dem, was von der gesamten schwulen Presse bis zum heutigen Tag schamlos betrieben wird: hemmungslose Übertreibung, Lug und Trug in Sachen Auflagenzahlen.

Dafür liefern obige Vorwortzeilen (unfreiwillig) den Beweis:

In den 70er Jahren noch benötigte ein Magazin wie DON gut 4 Wochen Produktionszeit: Satz, Fahnenabzüge, Korrekturlesen, Layout, Repros von Fotos und Illustrationen anfertigen, Fahnenabzüge zur Endkontrolle, Montagen und Druckfilme fertigen, Druck des Vierfarbteils, Druck des Schwarzweissteils, Buchbinderei (Falzen, Zusammentragen der Druckbogen, Heften, Beschnitt), Verpacken, Auslieferung an den Pressegrosshandel, Verteilung an die einzelnen Verkaufsstellen ... Von Terminproblemen, die bei so vielen Arbeitsschritten ebenso permanent wie automatisch auftreten, ganz zu schweigen.

Das heisst: Mindestens 3 Wochen bevor das neue Heft im Handel lag, musste es druckreif sein und durfte auf keinen Fall mehr verändert werden. Laut Vorwort soll aber bereits eine Woche, nachdem DON 3/72 ausgeliefert worden war, die gesamte Auflage von DON 2/72 ausverkauft sein.

Aber auch das ein Ding der Unmöglichkeit: Denn Remittenden (= unverkaufte Exemplare) rechnete der Vertrieb frühestens ab der vierten Woche nach Auslieferung eines Heftes ab. Denn ein Monatsmagazin wird normalerweise auch einen Monat lang im Zeitschriftenhandel angeboten.

Frei erfundene, schwindelerregende Verkaufsauflagenzahlen sind eines jener vielen Märchen, die sich um die gesamte deutsche Schwulenpresse ranken.


Hier beginnt nun auch in DON, womit der Brite John D. Stamford bereits im Jahr 1967 angefangen hatte (Spartacus Magazin) - Reisetipps für Homosexuelle - hier Amsterdam.

In den vier Bildern wird einer von Guy GilbertsGünter Goebels jugendlichen 'Begleitern' (er stellte solche 'Begleiter' grundsätzlich als 'Neffe' vor) präsentiert, der auch als Unterhosen- und Nacktmodell agierte. Möglicherweise handelt es sich bei ihm auch um den im Impressum erscheinenden John Mytery?

Die komplette Story des John D. Stamford sowie des Spartacus bis 1998 (Stamfords Tod) ist hier nachzulesen:

1. Teil: Die GANZE Geschichte vom SPARTACUS, von seinem Gründer John D. Stamford und ...
2. Teil: Die GANZE Geschichte ...
3. Teil: Die GANZE Geschichte ...
4. Teil: Die GANZE Geschichte ...
5. Teil: Die GANZE Geschichte ...
6. Teil: Die GANZE Geschichte ...
Fazit: Bruno Gmünder, John D. Stamford und der Spartacus ...


Der (links) kritische Bericht über die Hörfunksendung 'Homosexuelle in Deutschland' (NDR/WDR) stammt von Norbert Weissenhagen, eines von zahllosen Pseudonymen von Johannes Werres (der Link führt zu Werres-Details). Hier handelt es sich um Werres ersten 'Auftritt' in DON.

Rechts ein weiterer Nachdruck, diesmal aus Wochenend, dem bildreichen Sex- und Erotikblättchen aus dem Heinrich Bauer Verlag.


1972 begann DON damit - in stetig steigender Zahl - herzerweichende, rührselige, überwiegend seichte Homo-Geschichten zu veröffentlichen, was mit 9 Geschichten im Heft (DON 6/1974) seinen Höhepunkt erreichte, und weshalb DER SPIEGEL seinerzeit DON als 'homosexuelle Gartenlaube' bezeichnete. Die meisten dieser Geschichten stammten aus dem Kreis der Leser und mussten manchmal bis 'zur Bewusstlosigkeit des jeweiligen Redakteurs' überarbeitet werden; von Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern ganz zu schweigen. Solche Beiträge wurden mit einem Belegheft und einem lächerlichen Betrag honoriert.

Wesentlich für Herausgeber und Redaktion war: Billig!


DON 4/72 erscheint im April 1972 im Apollon Verlag, Vlissingen, Holland, Postbus 122. Redaktionsleitung: Guy Gilbert und John Mytery, Frankfurt/Main. Redaktionsanschrift: DON-Redaktion, c/o Bifipress AG, 6000 Frankfurt 70, Postfach 700 229


Das Interview mit Michael Holm (Bildmitte), Sekretär des (schwedischen) Reichsverbandes für sexuelle Gleichberechtigung, Gründer und Chefredakteur des schwedischen Schwulenmagazins Revolt, führte Guy Gilbert = Günter Goebel (rechts, hier erstmals in DON abgebildet) und John Mytery, wobei -Dank gleicher Frisur - es unklar ist, ob es sich um Hans John = Hans Möstl oder einen von Goebels jugendlichen 'Begleitern' (links) handelt.

Guy Gilbert ist Günter Goebel (†), Kürzel GG, bisexuell, Journalist, Redakteur, Fotoagent, Hans-Dampf-in-allen-Gassen, Inhaber diverser, oft wechselnder Mini-Firmen, u.a. der Werbeagentur Pressag AG u.a. in München (siehe 1. Eintrag bei DON 1/72), der Bifipress AG in Frankfurt/Main (siehe Redaktionsanschrift) usw. Ausführliches steht im Goebel-Link.


Eine von vielen PR-(Werbe)-Seiten, hier von Mc Gregor. Die scheinbar redaktionellen Doppelseiten bedeuteten kostenloses Bildmaterial und kostenlose Texte. Ob der Modemacher damals wirklich wusste, wo sein Material veröffentlicht wurde, möchte ich stark bezweifeln.


Dies ist der zweite Beitrag (von zahlreichen, die folgen sollten) von Johannes Werres (1923-1990) in DON. Die Geschichte von Johannes Werres, Pseudonym u.a. Jack Argo, hat verdienstvollerweise die Webseite "Es geht um Liebe. Schwule in der Schweiz und ihre Geschichte" veröffentlicht. Sie bezieht sich aber weitgehend auf dessen Mitarbeit bei der homosexuellen schweizer Zeitschrift Der Kreis und ist daher unvollständig.

Werres, er selbst bezeichnete sich als 'Aktivist der ersten Stunde', war Journalist, gebildet und schreibbegabt, bemühte  sich allerdings - zumindest in Schwulenpublikationen - sein extrem einseitiges stockkonservatives Weltbild und Gedankengut zu verbreiten. In Günter Goebel fand er einen politisch und schwulen-politisch total desinteressierten, obendrein den Magazininhalt betreffend völlig unkritischen Herausgeber, in dessen Objekten Werres seine Einseitigkeit uneingeschränkt und unkommentiert publizieren konnte. Goebel war froh, dass ihm überhaupt jemand Beiträge mit schwuler Thematik lieferte.

Der obige - unpolitische (!) - Beitrag beschäftigt sich mit "homosexuellen Grössen der Geschichte" - hier speziell König Ludwig II. - und der bewussten Unterdrückung und Verfälschung ihrer sexuellen Neigung (nicht nur) durch die Geschichtsschreibung.


Das ist die erste Anzeige in DON von  TOM men’s shop, Zürich, (der Link führt zu Details über Thomas Wetzel in DON 4/1978), der Beginn einer "wunderbaren Freundschaft" (und den Geschäftchen) zwischen dem DON-Herausgeber Guy Gilbert = Günter Goebel und dem Geschäftsinhaber Thomas Wetzel, einem Berliner, der 1949 in die Schweiz kam und 1957 eine erste winzige Boutique in der Züricher Mühlebachstrasse 9 eröffnete.