Samstag, 8. September 2012

DON - The German Gay Magazine 1976 (Heft 9 bis 10)


 DON 9/76 erscheint im September 1976.
Verleger ist Henry Ferling, Darmstadt, siehe DON 1/1973

NEU - Redaktion: Jens M. A. Reimer, R.v. Lindenau (=  Henry Ferling), Tommy Brauner (= Jens M. A. Reimer), zuständig nur für Textbeiträge, Manuskripte, Leserbriefe und -anfragen.
Sitz der DON-Redaktion ist ab jetzt (zunächst einmal bis Ende 1979) mein Büro in München: Rottmannstrasse 9, 8000 München 2

Bildredaktion: Guy Gilbert (= Günter Goebel) und Hans John (= Johann Möstl), DON-Bildredaktion, c/o Foto- und Presse-Studio GmbH, Postfach 700366, 6000 Frankfurt 70


Offener Brief an alle Träger politischer Mandate in der Bundesrepublik ... "Sie reden von Freiheit, Demokratie, Liberalismus, alle sind für Humanität, gegen Diskriminierung, alle wollen sie die Rechte des Einzelnen wahren, alle versprechen sich der Minderheiten annehmen zu wollen. Jetzt, zu Zeiten des vWahlkampfes, gehen solche Sprüche in Menge auf uns nieder. Wem aber soll man in unserem Land noch glauben?
Da lässt sich ein studierter Mann des Rechts, ein Leitender Oberstaatsanwalt, nach einer Beschwerde von uns, von einer >Zentralstelle zur Bekämpfung unzüchtiger und jugendgefährdender Schriften, Abbildungen und Darstellungen< ein Gutachten machen. Diese >Zentralstelle< befindet, DON sei nicht als >pornografisch< einzustufen, aber es erwecke wegen seiner >auf Verharmlosung der Homosexualität gerichteten Tendenz schwere Bedenken< ... Wir müssen mit energischen Protesten einer auf diese klammheimliche Tour ausgeübten Pressezensur, einer Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäusserung und einer Unterminierung rechtsstaatlichen Denkens begegnen ..."

Wir schreiben September 1973, exakt 4 Jahre nach der ersten Reform des § 175.

Tatsächlicher Autor dieses Offenen Briefs war R.v.Lindenau = Verleger  Henry Ferling


Die Bundestagswahl 1976 sollte am 3. Oktober 1976 stattfinden. Am 6. Mai 1974 hatte Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) (wg. der Guillaume-Affaire) seinen Rücktritt erklärt. Spitzenkandidaten waren Bundeskanzler Helmut Schmidt für die SPD. Für die Unionsparteien trat erstmals der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, an.

"... 1) Welche Schritte wird die CSU ... unternehmen, um die herrschenden Vorurteile in der Bevölkerung weiter abzubauen und damit den Homosexuellen ihre Ängste, den psychologischen Druck, das Doppelrollenspiel und die teilweise diskriminierenden Auswüchse der Exekutive und im Berufsleben zu nehmen?
2) Welche Schritte wird die CSU ... unternehmen, um die Diskriminierung Homosexueller im öffentlichen Dienst - hier speziell der Lehrer - und in der Bundeswehr abzubauen?
3) Welche Schritte wird die CSU ... unternehmen um Jugendliche im Rahmen des Sexualkundeunterrichts auch über jene Sexualformen aufzuklären, die nicht den hergebrachten, genormten Moralvorstellungen entsprechen?
4) Welche Schritte wird die CSU ... unternehmen, um ehemalige KZ-Häftlinge, die aufgrund ihrer homosexuellen Veranlagung in KZ's leiden mussten, endlich durch materielle Hilfen zu entschädigen?
5)  ... Ist die CSU ... willens, den (Anm. von der SPD/FDP-Koalition) beschrittenen Weg zur Integration der Homosexuellen in unsere Gesellschaft weiter zu gehen und dieses Bestreben auch mit konkreten Zusagen zu dokumentieren? ..."


SPD: Keine Antwort. CDU betrachtet das angesprochene Problem "als persönliche Angelegenheit jedes einzelnen". Die CSU fühlt sich "dem Grundsatz verpflichtet der Diskriminierung von Minderheiten entgegenzuwirken, soweit diese nicht die freiheitlich-demokratische Ordnung in Frage stellen." Allein die seinerzeit schwulenpolitisch wahrhaft engagierte FDP antwortet ausführlich und relativ konkret.

Die SPD gewinnt 42,6%, CDU 38%, CSU 10,6% und die FDP 7,9%. Schmidt bleibt Kanzler; Genscher Aussenminister. Der bisherige Oppositionsführer Karl Carstens (CDU) wird neuer Bundespräsident.

Bei der Wahl 1980 tritt die Union dann mit dem CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat an und verliert erneut massiv an Stimmen.


Ausführliche Anmerkungen zu unserer Leser-Umfrage stehen bei DON 8/76


Jens M. A. Reimer: Im Rahmen der Serie "Wer macht DON?" schreibe ich ein Portrait über mich selbst. Das Bild zeigt mich (33) auf der Dachterrasse meiner Wohnung am Münchner Stiglmaierplatz mit Siamkatze "Minna" (1973-1989). Zu jener Zeit lebte ich - nach Kindheit, Schule, Lehre, Volontariat und Studium in Berlin - bereits 10 Jahre in München und war schon 5 Jahre als Werbetexter, Konzeptionist und PR-Berater selbständig. 6 Jahre zuvor (1970) begann ich Beiträge für schwule Publikationen zu veröffentlichen.


"Vieles, was wir im Laufe dieses Jahres in Sachen Alter veröffentlicht haben, betraf Probleme, Ängste, Nöte und die negativen Seiten des älter werdenden Homosexuellen. Natürlich war uns von vornherein klar, dass dies eine recht einseitige Betrachtungsweise ist. Deshalb haben wir aus den zahlreichen Briefen und beiträgen unserer Leser einen herausgegriffen, der das Thema positiv behandelt. Dieser Leserbeitrag zeigt vor allen Dingen, dass man mit Einsicht, Einfühlungsvermögen und Verstand die seelischen belastungen des Homophilen beim Älterwerden meistern kann."



DON 10/76 erscheint im Oktobber 1976.
Verleger ist Henry Ferling, Darmstadt, siehe DON 1/1973
Redaktion: Jens M. A. Reimer, R.v. Lindenau, Tommy Brauner (Details bei DON 9/1976)

Bildredaktion: Guy Gilbert und Hans John (Details bei DON 9/1976)


Da die aktuelle DON-Ausgabe bereits 7-10 Tage vor Monatsbeginn in den Zeitungskiosken angeboten wurde und die Bundestagswahl am 3. Oktober stattfand, konnte ich in diesem Vorwort noch einmal zum Mitwählen auffordern. Thematisiert werden .... erneut der Offene Brief unseres Verlegers, unsere an die Parteivorsitzenden gerichteten Fragen und die Partei-Antworten (siehe oben, DON 9/76) ... die in der ablaufenden Legislaturperiode von der SPD-FDP-Regierung haufenweis gezimmerten Gesetze zur "inneren Sicherheit" (in jenem Herbst hatte die hannoversche Verfassungsschutzbehörde die Organisation zur Hilfe für politische Gefangene "Amnesty international" als "staatsabträglich" bezeichnet) ... und die daraus folgernde "Sorge um den kleinen Freiraum, den Homosexuelle im letzten Jahrzehnt gewannen".

" ... Lasen Sie es unlängst im STERN? Der liess ein demoskopisches Institut unter den deutschen Frauen umfragen, wie sie über die Homosexualität wohl dächten. Sei sie eine Krankheit, ein Laster, eine Angewohnheit ... oder eine ganz natürliche Sache? Die Zahlen stammen also von 1976, die in Klammern stammt von der gleichen Umfrage vor 13 Jahren. Es hielten für eine Krankheit 46 (40), Laster 20 (46), Angewohnheit 14 (11) ... und nun kommt es: für eine natürliche Sache hielten sie 20 % der befragten Frauen - 13 Jahre zuvor urteilten nur 3 % so ... "


"Es war einmal ein schöner junger Prinz. Der war von edlem Wuchs, hatte goldblonde Locken und märchenhafte Pfirsichkugeln. Er war zärtlich und leidenschaftlich zugleich, konnte traumhaft küssen und verführte viele hübsche junge Burschen aus dem gemeinen Volk. Und da er noch nicht gestorben ist, hat er exklusiv für DON seinen gräflichen Slip abgestreift und seine königlichen Köstlichkeiten unserer Kamera präsentiert ... Wer träumte nicht davon, nur einmal den Duft seines königlichen Schlafgemaches einzuatmen? Von seinem güldenen Tellerchen zu essen? Oder gar sein Zepter anzuschauen ... "


Details zu dem (regelmässigen) Autor Thomas Wagner, einem katholischen Theologen, stehen bei DON 5/1974

"In den folgenden Teilen dieser meiner zweiten Serie in DON geht es um die katholische Moraltheologie. Diese wird in weiten Teilen bestimmt durch die kirchliche Tradition, die in Fragen der Sexualmoral bis zu den Kirchenvätern zurückreicht. Besonders deutlich wird diese Tradition gerade in der letzten offiziellen katholischen verlautbarung, der >Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik<, die Ende Dezember 1975 von der Kongregation für die Glaubenslehre - dem früheren Hl. Offizium, der Inquisitionsbehörde also - herausgebracht und am 15.1.1976 veröffentlicht wurde ..."



Die erste Anzeige des Top-Versand * in DON.

* Brendel & Reimer GmbH, gegründet am 10.08.1976 in Unterpfaffenhofen b. München, mit meinem (heterosexuellen) Geschäftspartner Jürgen Brendel, gestartet als "das kleinste Versandhaus der Welt", später TOP MAN Brendel & Reimer GmbH.

Die kommerziellen Anzeigen in DON (und ADAM) erhielt ich keineswegs als "Gratifikation" vom Verleger, vielmehr wurde mir jeder einzelne Anzeigenpreis vom Honorar abgezogen.


Ob es den Reiseberichterstatter Robert Mittenbühler tatsächlich gegeben hat, weiss ich nicht. Der Bericht ist lebendig und aus "homoerotischer" Perspektive geschrieben. Obendrein enthält er eine ganze Reihe von Kontakt-Tipps. Auf das seinerzeit von Pädophilen bevorzugte "Knabenparadies Malaysia" geht der Autor nicht ein.