Dienstag, 20. März 2012

DON - The German Gay Magazine 1973 (Heft 1 bis 4)


DON 1/73 erscheint im Januar 1973. Untertitel "Magazin für Freunde".

Herausgeber ist ab jetzt HF-Druck, 61 Darmstadt, Kleyerstrasse. HF-Druck, bis zur Ausgabe 1/1974 noch genant zurückhaltend, steht für die Druckerei des Henry Ferling, der das Magazin nun bis 1984 verlegen wird.

Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.


Inhalt, Druck- und Fotoqualität auf bescheidenstem Niveau: Von den insgesamt 52 Seiten des Magazins sind 34 Seiten (nahezu ausschliesslich) ganzseitige Fotos = 65 % des Heftes. Hinzu kommen 3 Seiten Kontaktanzeigen und 6 (sechs!) Geschichten. Sowohl für die Fotos ...


... als auch für die Geschichten (zumeist geschrieben von Lesern) werden lächerliche Honorare gezahlt. Es ist das Jahr, in dem 'Der Spiegel' u.a. DON als "homosexuelle Gartenlaube" bezeichnet.


Die Geschichten werden überwiegend auf ausschliesslich textgefüllten Doppelseiten zusammengepresst.


Die Druckqualität, insbesonders der Schwarz-Weiss-Fotos, ist überwiegend kümmerlich. Hier ein Doppelseitenbeispiel für Aufnahmen, in denen nahezu sämtliche Grau(zwischen)töne fehlen.


"DON besuchte die neue Sudfass Sauna ... Wir fanden in gepflegtem Rahmen unter guten Freunden Atmosphäre und Spannung ... "

Dem Inhaber der Sudfass Sauna in Pulheim bei Köln - "eine wahre Stätte der Erholung und Entspannung" - gehörte zuvor die Sudfass Sauna in Frankfurt/Main (siehe DON 6/1972).


DON 2/73 erscheint im Februar 1973. Untertitel "Magazin für Freunde".
Herausgeber unverändert HF-Druck, wie DON 1/1973
Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.


"Über 600 Gäste umjubelten bei der Jahres-Club-Veranstaltung des 'Club Amsterdam' in Frankfurt ... Zarah Leander ... Genau 12 Minuten dauerten die Ovationen am Schluss und immer wieder ertönte der Ruf 'Zarah, Zarah' ... Fast ein Drittel der Gäste kam im Fummel ... Manches Kostüm war erst am Vortage aus Paris, Berlin oder Wien eingeflogen worden ... Viele Blumensträusse gab es für Zarah Leander, die ob des dankbaren Publikums ganz gerührt war ..."

Der verzückte Autor dieser Leander-Lobhudelei war Guy Gilbert (= Günter Goebel)

Dass Sara Stina Hedberg ihren Karrierehöhepunkt zwischen 1936 bis Ende 1942 in Deutschland (die grösste Diva des 3. Reich) in vollen Zügen genoss - als die Nazis u.a. alle jüdischen Künstler aus Deutschland vertrieben hatten,  Juden zu Hunderttausenden verfolgt, interniert und ermordet wurden und Homosexuelle im KZ landeten - hat die selbst nach Kriegsende weiter (von der Adenauer-Regierung) unterdrückten schwulen Fans herzlich wenig interessiert.


Im krassen Gegensatz zu den überwiegend seichten, rührseligen Geschichten stehen die Sach-Beiträge u.a. von Johannes Werres und die seitenweis ausgetragenen Kontroversen um die darin vertretenen Ansichten, hier von einem Rüdiger Funiok S.J. (?) ... die der auf Nacktbilder fixierte DON-Käufer wahrscheinlich schnell überblätterte.


Immer öfter wagt man sich (auch) bei DON, Aufnahmen von männlichen Modellen mit mehr oder weniger starken "Schwellungen" zu drucken. Das war seinerzeit ein ziemlich gefährlicher Versuch die Verkaufsauflage zu steigern, da alle Homo-Publikationen von offiziellen und selbsternannten Sittenwächtern argwöhnisch kontrolliert wurden, und manch eine Ausgabe nicht selten schon wegen eines minimalen genitalen Erregungsgrades zensiert und mit Verkaufsverbot belegt wurde (Pornographie... jugendgefährdend...)


Erfreuliche Vielfalt? In diesen Jahren beschäftigt sich der Autor Norbert Weissenhagen (= Johannes Werres) permanent mit der homosexuellen Szene, hier mit den 26 nach 1969 entstandenen 'homophilen deutschen Organisationen', dem IHWO ("den einen zu bürgerlich, den anderen zu rechts"), Hauptsitz Hamburg, dem s.d.h. = Schutzbund Deutscher Homophiler, Gründer Heinz Reber, Berlin u.a. 

Weissenhagen/Werres bedauert, dass sich die zahlreichen "Gruppen und Grüppchen ... noch nicht mit dem HSM in Verbindung gesetzt haben (wie die Arbeitsgemeinschaft der Bisexuellen, die DON ins Leben rief)". Am Artikelende wird nämlich der "Arbeitskreis für Bisexuelle und verheiratete Homosexuelle (i.Gr.)" von Rico (= Heinz Liehr, Lebenspartner von Johannes Werres). Anschrift dieses Arbeitskreises ist 6242 Kronberg, Mainblick 15, der Wohnsitz des Trios Werres/Liehr/Dr. Schlegel).


Da sich die mit Abstand meisten Leserbriefe in ermüdender Wiederholung mit den nackigen Fotomodellen (zu jung, zu alt, zu athletisch, zu dick... ) beschäftigten **, wurden selbst in meinen DON-Zeiten nicht wenige Leserzuschriften frei erfunden. Welche Briefe echt und welche von der Redaktion dazugedichtet wurden, ist im Nachhinein natürlich nicht mehr zu klären. Auffällig häufig stehen - in DON wie anderen Homo-Magazinen - Leserjubelbriefe wie

"... Ich lese alle Zeitschriften für uns - von denen ich DON den Vorzug gebe ... Ihr Farbfoto des Mannes mit Bart und Bierglas in den Händen und tätowierter Brust in der letzten Nummer war einfach toll..."

" ... schon lange bin ich Leser von him, du + ich und partner. Nahm neulich am Bahnhof Eure DON, weil keine andere da war. Wie dankbar bin ich, DON in die Hände bekommen zu haben! Kaum kann ich es erwarten ..." 

" ... ich freue mich, daß ich DON kennenlernte. Fotografisch und drucktechnisch hervorragend ... Die Mehrkosten wird jeder wohl gerne entrichten ..."

"... mit Abschluß von 12/72 will ich Euch gratulieren! Habe jede Ausgabe bewundert, Eure Kraft und Ehrlichkeit. Bei uns in Holland gibt es auch viele Hefte, aber alle sind fantasielos oder pervers ..."

** Eine Antwort der Redaktion (scheinbar von der Putzfrau formuliert?):
" ... Was die Modelle anlangt: jedes Bild, das wir bringen, ist ausgewählt aus 6-10 verschiedenen Aufnahmen. Und da nicht jeder an sich gut aussehende Typ fotografiert ebenso gut wirkt, müssen wir zwangsläufig hin und wieder schon einmal einen Jungen in einer anderen Szene bringen, wenn sich zeigt, dass unser Material für die Bildauswahl der nächsten Nummer nicht in vollem Umfang den Anforderungen entspricht, die ihr mit Recht stellt. Ehe wir ein technisch oder ästhetisch unzureichendes Foto in die Druckerei geben, tauschen wir es dann lieber, gegen eines das besser ist, auch wenn ihr den gleichen Jungen schon mal saht. Jedes Heft ist eine Auswahl des besten aus ca. 80-90 Fotos, von denen die Hälfte wir selber machen ... Du siehst, wir sind ganz ehrlich ..."


DON 3/73 erscheint im März 1973. Untertitel "Magazin für Freunde".
Herausgeber unverändert HF-Druck, wie DON 1/1973
Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.


"Liebe Freunde! Mit nun 15 Ausgaben von DON international in unserem Verlag blicken wir nicht ganz ohne Befriedigung zurück. 780 Seiten wollten gestaltet sein: Bilder waren auszuwählen, Textbeiträge zu redigieren, ein ausgewogenes Gleichgewicht jedes Heftinhalts herzustellen hinsichtlich der Berücksichtigung möglichst vieler Interessen. Immer war unser Leitgedanke dabei, uns auf einer Linie zu bewegen, die uns ... nicht mit Porno-Zeitschriften vergleichen lässt ..."

In diesem Vorwort wird - indirekt - zugegeben, dass die Remittenden-Quote nach wie vor etwa um die 50% liegt:

" ... immer erst nach genau 90 Tagen feststeht, wie eine DON-Nummer wirklich bei Euch angekommen ist: Wenn die Rücklieferungen nicht verkaufter Exemplare alle beim Vertrieb zurückgelaufen sind! Die Traumgrenze, nur 30% der gelieferten Hefte nach 60-90 Tagen wiederzubekommen, ist noch nicht erreicht ..."



Der Erotic-Shop in der Kölner Norbertstrasse bietet hier neben neckischem und "apartem" Penisverhüllungsschmuck (ursprünglich wohl vor die Muschi gedacht) ein Homo-Hörspiel auf Langspielplatte, "die müde Gesellschaften in Schwung bringt", einen Herrenmaskuliner "mit besonders grossem Innendurchmesser", einen Vibrator mir Penisüberzug, ein Kunstglied "naturgetreu nachgebildet", Sexkapseln "für den Mann zur Erhaltung und Steigerung der sexuellen Leistungsbereitschaft" und 4 Trink-Ampullen "Sex-Tonikum für moderne Menschen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit".


Jedes Foto dieser Doppelseite musste für diesen Post einzeln bearbeitet werden, um sie hier überhaupt sichtbar zu machen, dermassen unterschiedlich war deren Aufnahme- und Druckqualität.

Die homojournalistische Sprache 1973 ist noch schwer verklemmt. Von Homosexuellen ist noch keine die Rede. Der Club Savoy, die "Sauna für den Herrn ... ist von Freunden für Freunde" geschaffen. Sie ist "Freizeitwert"  ... "ungefähr ein Drittel kommt wegen der Gesundheit. Die anderen kommen wegen des Luxus, dabei so mancher, der mehr Interesse an jungen männlichen Gästen hat, als an seiner Gesundheit". Die ausschliesslich jugendlichen, angeblichen "Gäste" wurden wohl eher (als Fotomodelle) zu Werbezwecken herangeschafft.




DON 4/73 erscheint im April 1973. Untertitel "Magazin für Freunde".
Herausgeber unverändert HF-Druck, wie DON 1/1973
Redaktionsleitung und Redaktionsanschrift wie DON 10/1972.


Hinweise auf TOM Zürich und seinen Inhaber Thomas Wetzel findest du bei  TOM men’s shop, Zürich, (der Link führt zu Details in DON 4/1978).
 

Linker Beitrag "Splendid isolation" oder warum in der Schweiz die Lesbierinnen für sich bleiben wollen ist von Jack Argo (= Johannes Werres), der sozusagen die 'homopolitische' Linie des Magazins DON in den Jahren alleine bestimmte, in denen Günter Goebel Herausgeber und/bzw. Redaktionsleiter war. Siehe DON 4/1972, vorletzter Text.


Die Les Humphries Singers waren eine Gesangsgruppe, die von dem damals in Hamburg lebenden Engländer Les Humphries (1940-2007) (Bild) im Jahr 1969 gegründet wurde. Von Manuel Thaler ("Jeder Sonnenstrahl ist ein Versprechen") und Lynsey de Paul ("Sugar Me") habe selbst ich noch nie etwas gehört.


Das Mittelseitenfoto, ein über zwei Farbseiten (die damals für viel Geld produziert wurden) aufgeblasener 'Rückenakt mit kopflosem Zweitmodell'.

Eine Filmkritik in der "Frankfurter Neue Presse" (damals konservatives Gegenstück zur links-liberalen "Frankfurter Rundschau") zu Rosa von Praunheims "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt"

Kommentiert wird das in DON (natürlich) von Johannes Werres, der den Film übrigens noch weit schärfer verrissen hat, als hier  "... Es liegt mir fern, den Film Rosa von Praunheims in der vorliegenden Form zu entschuldigen; in diesem Punkt gebe ich der Kritik A. völlig recht. Das fängt beim Namen "Rosa" an und hört beim Neomarxismus auf ...", um anschliessend die damals weit verbreitete Homosexuellen-Sicht des Rudolf Andersch 'auseinanderzupflücken', wobei er - Thema verfehlt - komplett in das Thema Bisexualität ausweicht.