Sonntag, 12. August 2012

DON - The German Gay Magazine 1976 (Heft 3 bis 4)


DON 3/76 erscheint im März 1976.
Untertitel "Das grosse deutsche Magazin für Männer und ihre Freunde"
Verleger ist Henry Ferling, Darmstadt. Entspricht HF-Druck, siehe DON 1/1973
Redaktion, Bildredaktion, Leserbetreuung siehe DON 12/1975.


Ich rege mich gewaltig darüber auf, dass kaum ein Leser auf meinen Aufruf "Organspender-
ausweis" (DON 12/1975) reagiert hat ... und lüge (wie bei allen Homo-Magazinen usus), wundersame Verkaufsauflagen (19.300) und Leserzahlen (38.000) zusammen.

Es handelt sich um meine erste (bittere) Erfahrung, dass es quasi unmöglich ist, die Leserschaft einer schwulen Zeitschrift bzw. Zeitung für allgemein-gesellschaftliche Probleme auch nur in Teilen zu interessieren.

Kritisch anzumerken ist, dass ich die belehrend-lehrerhafte Diktion übernommen habe, wie sie in früheren DON-Vorworten oft zu finden war.


DON beginnt sich (endlich) mit der täglichen schwulen Realität auseinanderzusetzen. Hier: Der frisch aufgerissene anonyme Sexualpartner, den man zu sich nach Hause abschleppt.

"Sie haben nichts gegen Sex? Sind auf der Suche nach neuen Abenteuern? Sind einer reizvollen neuen Bekanntschaft nicht abgeneigt? Dann sollten Sie sich diesen Artikel zu Herzen nehmen. Er handelt von der Kehrseite neuer Bekanntschaften. Die Seite, die viele von uns nicht wahrhaben wollen: Diebstahl, Gewaltanwendung und schlimmere Sachen. Gewiss, Erpressungen und Erpressungsversuche in Sachen Homosexualität haben rapide abgenommen, seitdem die Gesetzgebung reformiert wurde und sich immer mehr Homosexuelle zu ihrer Veranlagung bekennen. Aber der häufige Partnerwechsel bringt ein Problem mit sich, das keineswegs rapide abgenommen hat. Jeder neue Partner ist für Sie, Ihr Hab und Gut, ein Sicherheitsrisiko. Das klingt hart. Aber wir wollen es hier ganz bewusst ein wenig übertreiben, damit Sie sich dieses Risikos bewusst werden ...."



Rolf von Lindenau (= Verleger Henry Ferling) über "Sicherstellung jugendgefährdenden Schrifttums" (u.a. DON) in Münchner Zeitungskiosken a) im Januar und b) im September 1975 und die Eröffnung von Verfahren wegen des "Verdachts der Verbreitung jugendgefährdender Schriften" gegen die betreffenden Händler. Da die Händler (um weitergehenden Problemen aus dem Weg zu gehen) der Sicherstellung zugestimmt hatten, wurden die Anwälte des Verlages als Prozessbeteiligte vom Verfahren ausgeschlossen. Dieser Beschluss war nicht anfechtbar - es sei denn, der DON-Verlag hätte Verfassungsbeschwerde eingelegt ...

Solche Tricks von Moralhütern, Richtern und Staatsanwälten, ungeliebte schwule Publikationen vom Markt zu verdrängen, waren in diesen Jahren an der Tagesordnung.


DON 4/76 erscheint im April 1976.
Untertitel "Das grosse deutsche Magazin für Männer und ihre Freunde"
Verleger ist Henry Ferling, Darmstadt. Entspricht HF-Druck, siehe DON 1/1973
Redaktion, Bildredaktion, Leserbetreuung siehe DON 12/1975.
 

Verfasser dieses Vorwortes ist mitnichten Guy Gilbert (= Günter Goebel), ich tippe zu 99% auf den Verleger  Henry Ferling.


Immer wieder setzt DON in Teilen des Heftes auch (unterschiedlich) farbiges Papier ein, hier ein Chamois-Ton, was dann zu so einem schwer leserlichen Blödsinn führt, weil Text und Bilder in der Original-Druckfarbe Rot (= Magenta) gedruckt werden.

Papst Paul VI. wird gerne als 'Reformer' bezeichnet. Tatsächlich jedoch ist in seiner Amtszeit u.a. eine erzkonservative, zwanzigseitige >Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik< (Januar 1976) erschienen. 

" ... Darin wird die Unverändertheit und Unveränderlichkeit der katholischen Sexualethik bekräftigt ... und festgestellt dass >der Gebrauch der Geschlechtskraft nur in der rechtsgültigen Ehe seinen wahren Sinn und seine sittliche Rechtmässigkeit erhält<. Die sexuelle Freizügigkeit in der westlichen Gesellschaft wird für den zunehmenden Verfall moralischer Werte verantwortlich gemacht. Eines der >ernstesten Anzeichen< dieser >Korruption der Moral< sei die >ungehemmte Verzückung im Sex< ... Demnach gibt es keine Rechtfertigung für vorehelichen Verkehr, stellt Onanie >einen schweren Verstoss gegen die sittliche Ordnung< dar und zeugt Homosexualität von >ernsthafter Verderbtheit< und ist moralisch nicht zu rechtfertigen ..."

DON bringt dazu Kommentare von Johannes Werres, Paul A.C. Steffen (Arzt und Journalist, München), Dr. Frans Wassenaar (Holländer-Seelsorger, Zürich), Zitate nach Evang. Pressedienst, Kath. Nachrichtenagentur, 'Kurier' (Wien), 'National-Zeitung' (Basel) und dem niedersächsischen Arbeitskreis 'Homosexualität und Gesellschaft'.

Die mit DR (= die Redaktion) abschliessende Zusammenstellung und schlussfolgernde Kommentierung stammt m.E. von Johannes Werres.



Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt bereits neun Jahre in München lebte, stammt dieser kurze, aber flott geschriebene 'Führer durch die Nacht' nicht von mir, denn es werden auch Bars genannt, die ich weder frequentierte, noch dem Namen nach überhaupt kannte (Bei Liesl, Castell-Club, Hopfenperle).


28. Januar 1976, Münchens erster Tuntenball "Die Herren Damen lassen bitten" im Deutschen Theater von Jens M. A. Reimer.

"... Da schreibt ein gewisser Andreas Müller in der 'Münchener Abendzeitung' (durchschnittliche Leserzahl an Wochentagen 416.000!) ... eine dreiviertel Boulevard-Zeitungs-Seite voll: "Überraschungen unter Rüschen und Röcken" ... Spaltenlang schreibt er über Lippenstifte und falsche Wimpern, von Papierknödeln und Luftballons im Ausschnitt, über Herrentoiletten, auf denen 'Damen' ihre Röcke heben, von Transvestiten-Szene, Barmüttern Schminkwut, Klofrauen, Nonnen-Riegen und dem flirrenden Spuk der Nachtschattengewächse ... Er schreibt so echt, dass man versucht ist anzunehmen, er hatte sein eigenes Schminktäschchen dabei ... Was Wunder, wenn sich Herr Meier und Lieschen Müller in ihrer Kleinbürger-Philosophie über Schwule, Homosexuelle und Tuntenvolk einmal wieder voll bestätigt fühlen ... "

In diesem Beitrag bekommt man eine Idee davon, warum ich den Themen Tunten, Transvestiten und geschminkten Homos in Weiberklamotten mein Leben lang 'ausgewichen' bin.

 

In den Kontaktanzeigen fällt (mir heute) auf, dass sie von erstaunlich vielen jungen Schwulen stammen - überwiegend von solchen in den Zwanzigern und der ersten Hälfte der Dreissiger.