Dienstag, 8. April 2014

DON - The German Gay Magazine 1983 (Heft 11).


DON 11/1983 erscheint im November 1983. Der Verlag Henry Ferling in Darmstadt ist die für alles zuständige Anschrift. Den Inhalt gestaltet ein "Autorenteam".


Helmut Kohls Losung von der 'geistig-moralische Wende' zeigt Wirkung [seit dem 6.3.1983 ist Kohl Bundeskanzler]. Sozialökonomen fordern, dass der Versicherte die Behandlung für 'Selbstbeschädigungen wie Alkoholismus, Drogenabhängigkeit, Lungen- und Bronchialkrebs, Sportunfälle und Geschlechtskrankheiten' künftig selber zahlen soll. Aus dem Ministerium des Ministers Blüm verlautete, dass man der Idee grundsätzlich zustimme .... Beängstigende Aussichten angesichts des akuten Aids-Dramas und der zunehmenden Aids-Panikmache.


Guido Vael antwortet (für den VSG e.V. ?) auf den Artikel >Widerwärtiger als 'soziallästig'< im September-DON. Er attestiert der Ausdrucksweise des Artikels/Autors 'Menschenverachtung'.

Zeitgleich schwappt zu diesem und anderen kontroversen September-Artikeln eine Leserbriefwelle in die DON-Redaktion, deren Verfasser mit Ausdrücken wie 'Rufmord ... Dreckschleuder ... Schwule in den Dreck ziehen ... Schmierenblatt ... ' munter um sich werfen. Dazu die Redaktion:

"... es macht den Anschein, dass DON seine Münchener Leserschaft im September veracht- wenn nicht verzwölffacht hat. Denn in diesem Monat rauschte ein wahrer Sturzbach empörter Lerserbriefe [von Uli Grünert, Georg Cruse, Alfi von Wiedersperg, Thomas Kylau...] auf uns hernieder. Zu 90 Prozent aus München. Der Schein trügt! Denn die Brieflawine aus München wurde inszeniert ... Uns tut es leid um manch interessanten Gedanken in Münchener Briefen, der es gelohnt hätte, ihn einer breiten Leserschicht bekanntzumachen. Aber an einer ferngesteuerten Inszenierung werden wir uns nicht beteiligen ... "

Die Karikatur stammt von dem bekannten Cartoonisten Rudi Hurzlmeier, der zur gleichen Zeit auch für ADAM Karikaturen zeichnete.


Berlin Museum: "Nach Auffassung des Berliner Museumsdirektors Rolf Bothe hat ein Stadtmuseum die Aufgabe >Aspekte der verdrängten Geschichte einer Minderheit darzustellen und ins allgemeine Bewusstsein zu rücken<. Bothe plant, zusammen mit verschiedenen Gruppen, für 1984 im Berlin Museum die Ausstellung >Homosexuelle Männer und Frauen in Berlin 1850-1950; Geschichte, Alltag, Kultur< ... Es soll die in ihrer Art bisher umfangreichste werden ... Wegen dieses Ausstellungsvorhabens werde die Leitung des 'Berlin Museum' teilweise anonym angegriffen ... warum der Innensenator solche Ausstellung nicht verbiete und warum öffentliche Gelder dafür ausgegeben werden ... "

Peter Schult, 1928-1984: " ... Schult, der derzeit wegen homosexueller Vergehen nach § 175 in Berlin Plötzensee einsitzt ... immer wieder schoss er aus der Gefängniszelle heraus auf die Justizbehörden, in Artikeln und Buchbeiträgen ... Peter Schult ist schwer an Lungenkrebs erkrankt. Er hat nur noch ein bis zwei Jahre zu leben. Dass es soweit kommen konnte, ist nach Schults Ansicht ... Schuld der bayerischen Justizbehörden. Bei frühzeitiger Behandlung des Krebses hätte Schult gute Überlebenschancen gehabt ... Das Krankheitsbild wurde bereits im Juni 1981 von der Anstaltsärztin im Münchner Gefängnis Stadelheim entdeckt ... Die Befunde bleiben bis auf den heutigen Tag verschwunden ... "


Eine ziemlich wahre Geschichte über ein Wochenende zwischen Lust und Frust ... eine Disco- und Kneipentour zwischen Angst und Hoffnung. Und eine Analyse. Oder: Der ganz normale schwule Wahnsinn.
" ... Die Mechanismen von Sprachlosigkeit, Verklemmung und unterdrückter Gier funktionieren überall in der Sub*. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das Wort 'Kommunikation' ist in der schwulen Szene ein Fremdwort. Und in einigen Läden wird das schwule Schweigen durch dröhnende Musik forciert ... Allabendlich senkt sich weltweit die alles Ursprüngliche, Spontane und Menschliche abwürgende Atmosphäre schwuler Amüsierbetriebe über ihre Besucher. Es ist wie eine ansteckende Krankheit ... Da unterwerfen wir uns tagsüber total einer heterosexuellen Umwelt. Hier dürfen wir nicht. Um uns dann abends und nachts in das Korsett einer homosexuellen Frustkultur zu zwängen ... wo wir uns angeblich ausleben können, machen wir uns das Leben sozusagen selbst und gegenseitig zur Qual ... "

* schwule Subkultur

Doppelseitenbilder oben Trocadero und Kleist-Casino Berlin. Doppelseitenbilder unten: Ali Baba und Mrs. Henderson München.


KLAR & WAHR, eine Zeitschrift zum besseren Verständnis, herausgegeben von einem 'Ambassador College' in Bonn, ist kostenlos, weil sie "durch Zehnten und Opfer der Mitglieder der Weltweiten Kirche Gottes und anderer getragen wird", beschäftigt sich auf 4 Seiten mit dem Thema AIDS.


"Was die Homosexuellen vergessen haben, schreibt der Autor Donald D. Schroeder, ist, dass Gott der Schöpfer des menschlichen Lebens und der menschlichen Geschlechtlichkeit ist. Er hat die Ehe eingesetzt und hat Gesetze in Kraft treten lassen, die gesunde und treue Ehe- und Sexualbeziehungen zwischen Mann und Frau regeln. Der Mensch will sich über Gottes Gesetze hinwegsetzen. Das geht aber nicht. Sie lassen nicht mit sich spassen ... Die einzig sichere Lösung für diese oder andere gesellschaftliche und sexuelle Unglücke ist Vorbeugen. Und das heisst, nach Gottes Gesetzen ... ein reines und seuchenfreies Geschlechtsleben führen ... Der Autor versucht, durch irreführende und falsche Auslegung von Bibeltexten, seinen Lesern weiszumachen, dass es homosexuelle Praktiken waren, die Gottes Zorn erregten ... Er liess ein katastrophales Strafgericht [Sodom] über sie kommen und löschte ihr Leben aus ... Was seinerzeit eine grosse Feuerbrunst besorgte, nämlich die Ausrottung der Perversen, besorgt heute AIDS ... "


Fortsetzung von DON 10/1983: Textauszüge aus "Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen", Band III, Die Homosexualität des Mannes und des Weibes von Sanitätsrat Dr. med Magnus Hirschfeld, 2. Auflage, Louis Marcus Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1920.


"Längst gibt es mehr, als die althergebrachte Subkultur der Bars und Kneipen, der Saunen und Parks. In immer mehr Städten erlebt die schwule Szene ihr 'Coming out'. Heraus aus der sexuell geprägten Abkapselung. Hinein in Kultur und Kirchen, in Medien, Politik und manch anderen öffentlichen Bereich. Das Paradebeispiel ungeheurer Szenenvielfalt ist Berlin. Wir aber beginnen mit München ... Es geht darum eine interessante Entwicklung zu veranschaulichen ... "

München 1983: geschätzte 60.000 schwule Mitbürger, ca. 52 Bars, Diskotheken, Cafés, acht Klappen, vier Saunen, zwei Sexshops ... vier Aktionsgruppen mit unterschiedlicher Zielsetzung (HALT = Homosexuelle Alternative, HuK = Homosexuelle und Kirche, VSG ....)  ... der Englische Garten, schwule Autoren, die schwule Buchhandlung 'Sodom', ungeniert schwule Kontaktanzeigen in der 'Münchner Stadtzeitung', schwules Theater ...

Die Aufnahmen zeigen: die 'Deutsche Eiche', das Rumford Denkmal im Englischen Garten, den Buchladen 'Sodom', den Eingang zum 'Verein für sexuelle Gleichberechtigung'.

Satire - Die Politiker und AIDS: