Mittwoch, 24. Juli 2013

DON - The German Gay Magazine 1979 (Heft 12). Jens M. A. Reimer - Abschied von DON.


Nach 48 Ausgaben, während derer ich die DON-Redaktion alleine leitete, für das Magazin schrieb, fotografierte und recherchierte ... mit Autoren und Fotografen, Lesern und Politikern, Vereinen und Medien korrespondierte ... die Gestaltung, den Umbruch und die komplette Abrechnung machte ... nehme ich mit dieser Dezember-Ausgabe 1979 (zunächst einmal) Abschied von DON ... weiter: siehe letzte Doppelseite in diesem Post.

Typisch Verleger Ferling: In diesem letzten, komplett von mir konzipierten, gestalteten und verantworteten Heft, steht im Impressum bereits Gerd Talis als 'Redaktionsleitung'.

DON-Verlag Henry Ferling. Herausgeber Henry Ferling, Darmstadt. Redaktionsleitung Gerd Talis (= Gerhard Friede). DON-Redaktion: Dreikönigstrasse 2, 6900 Heidelberg. Ständige Redaktionsmitarbeiter: Jens M. A. Reimer, Andy Müller, Urs Kent, Tommy Brauner (= Pseudonym für Jens Reimer) und Stefan Troßbach (also die ganze "alte" Mannschaft).


"Franz-Josef Strauß ist kein 'Homosexuellen-Fresser'. Auch seine gelegentlichen Ausfälle gegen  die 'warmen Brüder' sollten nicht zu bierernst genommen werden. Vollblutbayern sind emotionsgeladen und lassen ihren Dampf gerne in alle Richtungen ab ... Bleibt die Frage, die viele Homosexuelle sich stellen, seit der bayerische Ministerpräsident zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt wurde: Was bringt uns eine eventuelle CDU/CSU-Regierung ... Die Aussagen von CDU und CSU in den letzten Jahren waren ebenso unverbindlich und nebulös, wie die von SPD und (mit gewissen Einschränkungen) von F.D.P. ... verflüchtigen sich die Politiker in Allgemeinplätze, wie >verpflichtet, der Diskriminierung von Minderheiten entgegenzuwirken< ... 
... Eine (gar nicht so abwegige) Alternative hiesse: 'Lasst Strauß ran!' Eine Regierung Strauß/Dregger könnte ... bewirken: Endlich einmal würden manchem Homosexuellen die Augen geöffnet, welche Freiheiten uns die 70er Jahre tatsächlich beschert haben ..."


Diesen Text übernahmen wir mit freundlicher Genehmigung des NDR. Wie uns der Redakteur der Abteilung Jugendfunk, Rainer Wulff, dazu mitteilte, wurde er zweimal im Rahmen der 'Internationalen Hitparade' ausgestrahlt. Die Sendung erbrachte ungewöhnlich viele, ausschliesslich positive Zuschriften und Manuskriptanfragen ein, unter anderem von Lehrern, die den Beitrag als Diskussionsgrundlage über Homosexualität verwenden wollten.


DON-Autor Andy Mueller testet für DON-Leser die britische Homo-Hauptstadt und berichtet von einer Spritztour in die homosexuelle Provinz, nach Exeter. Dieser ganz private Reisebericht liest sich locker-flockig und angenehm unschwul (und so ganz ohne Homotreff-Tipps).


Roland-Armin Adler über Transsexuelle: informativ, aufklärend, nachdenkenswert.


Was mir an den sog. Normalen aufgefallen ist ... Als Gipfel von Normalität gilt das Münchner Oktoberfest, die grösste Sauferei (Drogen-Party) der Welt ... dass 90% sich ein Leben ohne Fernseher nicht mehr vorstellen können, 81% drei Wochen in der gleichen Bettwäsche liegen, 77% täglich ihr Horoskop lesen ... dass von dem Latrinenblatt BILD an jedem Wochentag 4,961 Millionen Exemplare verkauft werden und im Parlament nur 5% weibliche Abgeordnete sitzen ... dass 70% der Bundesbürger Homosexuelle für krank halten, 68% in Homosexuellen Kinderschänder vermuten und 50% Angst haben, dass Homosexuelle die 'Volkskraft' schwächen (STERN 1978)

... und was in der Homosexuellenszene als 'normal' angsehen wird.


Mit der nächsten, der Januar-Ausgabe 1980, wird Gerd Talis (= Gerhard Friede) (Heidelberg) die DON-Redaktion übernehmen. Talis war Mitbegründer der deutschen Homo-Zeitung 'gay journal' (er machte sie viele Jahre ganz alleine), Journalist, ein Kenner der Szene und in den schwulen Medien gut vernetzt. Der DON-Verleger Henry Ferling und ich hatten ihn ausgewählt, weil er journalistisch ein Profi war (obwohl ich über seinen Background nie etwas erfahren habe), eine eigene Meinung hatte, die er hervorragend vertrat, und in seiner eigenen Zeitung ausgewogen berichtete.

Die heute im Web auftauchende Seite gayjournal.de hat nichts mit der von Talis herausgegebenen Zeitung zu tun!

Die folgenden 38 Ausgaben - bis zum Februarheft 1983 - werden von Gerd Talis gemacht, über dessen Wirken danach ich nichts weiss und über den heutzutage - ausser Erwähnungen im Blog BRUNOLEAKS sowie im DON-Eintrag bei Wikipedia - kein einziges Wort in Web zu finden ist.

Die im obigen Artikel genannten Gründe für mein Ausscheiden waren vorgeschoben. Tatsächlich geriet der 1976 von Jürgen Brendel und Jens M. A. Reimer gegründete Top-Versand 1979 erstmals in eine geschäftliche Aufschwungphase (links der erste "Katalog" 1979, ein 20seitiges Heft), die mich zwang, neue Prioritäten zu setzen.

Ausserdem schrieb, gestaltete und fotografierte ich auch weiterhin die jeweils zweitmonatlich erscheinenden Magazine ADAM (Verlag Henry Ferling), HOM OH! und boy oh! boy (die beiden Letztgenannten Pornomagazine für Günter Goebel).