Donnerstag, 27. Februar 2014

DON - The German Gay Magazine 1983 (Heft 7). Talis tritt ab. Ein "Autorenteam" tritt an.


DON 7/1983 erscheint im Juli 1983.

Der Verlag Henry Ferling in Darmstadt ist wieder die für alles zuständige Anschrift. Den Inhalt gestaltet ein "Autorenteam" mit Robert Adler (= Roland Armin Adler), Michael Albert (= Jens M. A. Reimer), Andy Mueller und Gerd Talis (der nur noch aus formalen Gründen im Impressum steht).



Layout, Bildauswahl, Umbruch ... "darf" ich wieder machen.

Bei einschneidenden Veränderungen einer Zeitschrift ist es eigentlich üblich, dass der Verleger ein paar Worte dazu sagt. Umso vielsagender ist, dass Henry Ferling zur Trennung von Gerd Talis (= Gerhard Friede) kein Wort in DON verliert. Warum sich Inhalt und Layout der Juli-Nummer entscheidend vom Juni-Heft unterscheiden, kann man (auch zwischen den Zeilen) obigem Vorwort entnehmen.

Nach dem desaströsen Einbruch der DON-Verkaufsauflage (44% Verlust in drei Jahren) hatte Henry Ferling mich (Jens M. A. Reimer) händeringend gebeten, wieder die Redaktion, eine Überarbeitung der Gestaltung, das Layout und die Bildbestückung zu übernehmen. Hilfe sagte ich ihm nur für eine kurze Übergangsperiode zu, da ich bereits mit der eigenen Firma und vielen anderen Objekten aus- und überlastet war. Da ich namentlich nicht mehr im Impressum erscheinen wollte, einigten wir uns auf den Ausdruck "Autorenteam" (anstelle Redaktion / Redaktionsteam).
 

Die Leserbrief-Seiten sind unter neuer Regie - jetzt wird zurückgeschossen (vgl. Leserbrief-Anmerkungen in der Mai-Ausgabe 1983). Nun attackieren ein paar "bestellte Leserbriefe" die letzten DON-Ausgaben unter dem Redaktionsleiter Talis.

"Auf das neue redaktionelle Konzept von DON kann man wohl zu recht gespannt sein. DON scheint interessanter zu werden. Ich wünsche auf jeden Fall viel Erfolg, obwohl es wahrscheinlich sehr schwierig sein wird, sowohl beim Verleger ein neues Konzept durchzusetzen und vor allem dem Leser das neue Image zu präsentieren. Bruno Gmünder, Verleger der Städteportrait-Reihe 'von hinten', Berlin."


"Eine Abrechnung mit Zarah Leander und ihren schwulen Verehrern anlässlich ihres 2. Todestages ... Ach Zarah! Hast Du das verdient? Und natürlich haben sich auch die Homo-Gazetten ihrer angenommen. Haben sich schier einen abgewichst. besonders hervorgetan hat sich DU & ICH. Mit 'Exklusiv-Interviews' und dem Abdruck ganzer Tourneepläne, mit Lobhudeleien über ihr Buch und grosser Ankündigung über ihr Comeback, als die alte Frau schon kaum mehr sehen konnte. Ein grosser Kübel Tränen floss durch schwule Blätter, als die Leander vor zwei Jahren in die ewigen Jagdgründe einging. In DU & ICH gleich seitenweis ... Wie soll man das eigentlich begreifen, wenn die Nachkriegs-Schwulen-Generation, also jene Homosexuellen, die das 'Tausendjährige Reich' überlebt hatten, ausgerechnet dieser Frau mit verzücktem Schleierblick zu Füssen fielen? ... Es will einem einfach nicht in den Kopf. Denn in einer Zeit, in der Homosexuelle als Volksschädlinge diffamiert und verfolgt wurden, in der sie zu Tausenden verurteilt, anschliessend in Konzentrationslager abtransportiert und dort zur Strecke gebracht wurden, in genau jenen Adolf-selig-Zeiten war die Leander ganz obenauf. Hat mitgemischt, im Sinne des Führers ... der Verklärung des 3. Reichs und dem Endsieg zuliebe ... "


Razzia bei Florenz: Von 49 festgenommenen Dirnen auf dem Strassenstrich entpuppten sich auf dem Revier 49 als Männer.

Schlüssellochperspektive: In seinem Buch >The Love You Make - an Insider's Story of the Beatles< berichtet Peter Brown, einst Assistent des Beatles-Managers Brian Epsein u.a. " ... von gleichgeschlechtlichen Aktivitäten John Lennons: Angeblich war er der Geliebte von Brian Epstein ... Lennon hätte nur zeitweilig ein Verhältnis mit Epstein gehabt, um - nach seiner Aussage - >zu sehen, wie das ist< ... Um so mehr verwundert es, wie der Gitarrist seine homosexuellen Erfahrungen selbst gewertet haben soll: >Ich habe das Experiment genossen.<"

Schwulenkartei: "Den Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus scheinen die Straftäter-Karteien keine Ruhe zu lassen. Immer wieder traktieren Sie den Innensenat mit Fragen über Speicherungsdauer, Löschungsbedingungen und Karteienverbund ... So wurde nun bekannt, dass Homosexuelle in der Sexualstraftäter-Kartei unter dem Kennzeichen >C< geführt werden ... "

Südafrika: "Die südafrikanische Eisenbahnpolizei soll 60 Männer und Frauen aus dem Dienst entlassen haben, weil sie gleichgeschlechtlich veranlagt sind ... "


< Der im Sinne der menschlichen Verfassung 'vollkommene' Johannes Gross (1932-1999), stockkonservativer Publizist und Journalist (u.a. STERN), im obigen Artikel "antischwuler Intoleranzbolzen" genannt, der als Herausgeber und Chefredakteur des STERN gerade noch verhindert wurde: "Homosexualität ist für mich etwas Minderes im Sinne des Unvollkommenen einer menschlichen Verfassung"

DON rechnet ab - mit den Illustrierten STERN, BUNTE, NEUE REVUE, QUICK, PRALINE, WOCHENEND, BRAVO ... - in Sachen schwuler Themen:
" ... Die Aufgeschlossenheit des STERN gegenüber der homosexuellen Minderheit und schwulen Themen kann gar nicht den Bach heruntergehen, denn sie hat nie existiert ... QUICK und NEUE REVUE ... greifen schwule Themen überhaupt nur auf, wenn sie einen publikumswirksamen Knüller daraus fabrizieren können. Zum Beispiel Tuntenbälle ... PRALINE ... WOCHENEND ... aber auch die Jugendzeitschrift BRAVO ... können, wenn's um Schwule geht, getrost mit dem journalistischen Niveau der BILD-Zeitung verglichen werden. Nur noch dämlicher. Die Familie Burda, ihre Mitarbeiter und Redakteure von die BUNTE ... wissen wahrscheinlich nicht einmal, wie man das Wörtchen 'schwul' buchstabiert ... In der Rückschau muss festgestellt werden: der STERN-Report >Wir sind schwul< [Oktober 1978] war nichts weiter, als ein publikumswirksamer Illu-Schocker, der den Verkauf ankurbeln sollte ... "


Am 6. März 1983 (vorgezogene Neuwahlen nach dem Seitenwechsel der FDP) wurde die Union (CDU und CSU) mit 48,8% der Stimmen stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag und Helmut Kohl Kanzler, der landauf, landab die "geistig-moralische Wende" predigte. Mit in der Regierung (wieder/natürlich/wie immer) die FDP.

" ... 'Der Spiegel' meinte, >seiner Regierungserklärung zufolge möchte Kohl so weitermachen ... mit Nichtstun und Zuwarten< ... Wir dürfen Vertrauen zu Kanzler Kohl haben, dass zumindest für uns [Schwule] auch in Zukunft nichts läuft ... Kohl würde sich wohl eher die Zunge abbeissen, als die Schwulen in den Mund zu nehmen ... Und dann wäre da auch noch die FDP. Ihre grossartigen Schwulen-Wahlparolen von 1980 hatte sie vor dem 6. März auf Sparflamme heruntergedreht. Wer da glaubt, dass die FDP in der neuen Koalition mit der Entdiskriminierung der Schwulen auch nur einen Zoll breit weiterkommt, der muss schon ein gerüttelt Mass an Gottvertrauen haben ... Wenn man die gegenwärtige politische Situation und das rechtsdriftende Klima der 'Koalition der Mitte' genau analysiert, dann muss man schon viel Naivität besitzen, um an eine Abschaffung des § 175 zu glauben ... "


Modell Laszlo, 27, Ungar, Tänzer, Go-Go-Boy, in meinem Münchner Fotostudio.


In bundesdeutschen Spitzenschwulenzirkeln sind sie bekannt, wie bunte Hunde: Der schwule Beckenskelettforscher Dr. Willhart Siegmar Schlegel und seine Werbeposaune Heinz F. S. Liehr (alias Rico de Positano, Lebensgefährte von Johannes Werres). In diesem nicht stattgefundenen DON-Gespräch [Satire!] werden die beiden einer schwulen Würdigung unterzogen.

Schlegel, Werres und Liehr wohnten ein Vierteljahrhundert lang gemeinsam unter einem Dach; in einer Villa im vornehmen Kronberg/Taunus, was mit obiger Abb. der Gartentürschilder nachgewiesen werden sollte.


Ein grossartiger Artikel von Rosa von Praunheim, entnommen dem neu erschienenen Szeneführer 'Berlin von hinten', mit freundlicher Genehmigung des Bruno Gmünder Verlag.

"Im Juli 1971 wurde Rosa von Praunheims Film >Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt< oder >Das Glück in der Toilette< beim 'Internationalen Forum des jungen Films' in Berlin uraufgeführt. Ausgehend von seinen Problemen mit sich und den Berliner Schwulen versuchte er die Verklemmungen, Ängste und Hilflosigkeit in der gesellschaft zu untersuchen. >Heute<, sagt er, >10 Jahre später, würde ich den Film viel bissiger und radikaler machen.< Desillusioniert, aber ohne Bitterkeit erzählt er von seinen Berliner Erfahrungen ... "


"Als Kind hat er Marionetten gebastelt. Er zeichnete Köpfe auf Karton, schnitt sie aus und formte sie in Ton. Als Regisseur machte er Köpfe zu den Stars seiner Filme. Groteske Gesichter, zahnlose und edle, dekadente und aufregende, unförmige und liebliche, schockierende und faszinierende Gesichter ... Aus dem Buch >Fellini's Faces< zeigen wir einige Knaben- und Männergesichter ... "

Diese Seiten habe ich zu Ehren meines Lieblings-Regisseurs, Federico Fellini, in DON hineingeschmuggelt.